
Einleitung / Top Learnings
Was die LMU‑Studie 2023 über Meta‑Targeting enthüllt
Welche Parteien besonders profitieren – und wieso
Wie algorithmische Verzerrungen demokratische Teilhabe beeinflussen
Wie ihr Targeting‑Bias erkennt und ausgleicht
Welche Rolle Regulierung (DSA) und Transparenz-Tools spielen
1. Studie im Fokus: Verzerrungen im Meta‑Targeting
Die Studie der LMU München (Bär et al., 2023) ist bislang die umfassendste wissenschaftliche Analyse zur politischen Werbung auf Meta-Plattformen. Sie untersuchte über 81.000 Anzeigen, die im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 geschaltet wurden – mit einem Gesamtbudget von knapp 10 Millionen Euro. Die Besonderheit: Die Daten stammen direkt aus der Meta Ad Library und umfassen neben dem Zielgruppen-Targeting auch Informationen über Reichweiten, Frequenzen und tatsächliche Ausspielungen. Die Forscher:innen stellten fest, dass bestimmte Parteien – insbesondere solche mit polarisierendem oder populistischem Wording – deutlich mehr Reichweite pro investiertem Euro erzielten. Diese Differenz lässt sich auf den Meta-Algorithmus zurückführen, der Anzeigen bevorzugt, die hohe Interaktionsraten erzielen. Die Studie zeigt damit: Wer strategisch auf emotionale oder kontroverse Inhalte setzt, profitiert indirekt von der automatischen Aussteuerung durch den Algorithmus.
2. Warum Populisten profitieren
Meta optimiert seine Werbeanzeigen auf eine zentrale Kennzahl: den Cost-per-Result (z. B. Impression, Klick oder Engagement). Wenn ein Inhalt – etwa ein kurzer Video-Clip mit provokanter Botschaft – besonders viele Reaktionen (Likes, Shares, Kommentare) erzeugt, wird dieser Inhalt vom Algorithmus günstiger und häufiger ausgespielt. Parteien wie die AfD oder die Linke, die stärker auf emotionale Reize und klare Feindbilder setzen, generieren im Schnitt mehr Engagement pro Euro.
Das Resultat: Ihre Botschaften erreichen überproportional viele Nutzer:innen, obwohl ihr Budget vergleichsweise klein ist. Die Verzerrung entsteht nicht durch eine bewusste Bevorzugung durch Meta, sondern durch die mathematisch-logische Optimierung des Algorithmus – der allerdings politische Konsequenzen hat. Der Meta-Algorithmus agiert damit als indirekter Medienakteur, der über Erfolg oder Misserfolg politischer Kommunikation mitentscheidet.
3. Diskrepanz: Zielgruppe vs. tatsächliche Reichweite
Ein häufig unterschätzter Effekt im Meta-Kosmos: Die Zielgruppe, die in der Kampagnenplanung definiert wird, stimmt nicht zwangsläufig mit der Zielgruppe überein, die die Anzeige letztlich zu Gesicht bekommt. Der Grund liegt in der dynamischen Ad-Optimierung von Meta. Das System testet verschiedene Ausspielvarianten und priorisiert jene, die kostengünstiger sind.
Beispiel: Eine Kampagne der Grünen, die eigentlich junge Frauen in urbanen Regionen ansprechen soll, erreicht in der Praxis deutlich häufiger männliche User mittleren Alters – weil diese günstiger zu erreichen sind. Diese algorithmische Umschichtung ist zwar effizient im Sinne des Werbeziels (z. B. Reichweite maximieren), führt aber zu einer systematischen Abweichung vom intendierten politischen Dialog.
Die Folge: Parteien sprechen Zielgruppen an, die sie gar nicht adressieren wollten – und verfehlen gleichzeitig ihre Kernwählerschaft.
4. Warum das demokratisch problematisch ist
In einer demokratischen Gesellschaft sollten alle relevanten politischen Positionen und Zielgruppen gleichberechtigt Zugang zu Information und Debatte erhalten. Der Meta-Algorithmus unterwandert dieses Ideal, indem er Inhalte nicht nach Relevanz, sondern nach Interaktionspotenzial priorisiert. Das führt zu einem Wettbewerbsnachteil für differenzierte, sachliche oder weniger emotionale politische Botschaften. Besonders problematisch: Gruppen, die algorithmisch als „teuer“ gelten – z. B. ältere Frauen oder Menschen in ländlichen Regionen – erhalten weniger politische Ansprache.
Das Resultat ist eine demokratische Asymmetrie: Bestimmte Wählergruppen werden systematisch übersehen, während andere überrepräsentiert werden. Diese Verzerrung ist nicht nur eine technische, sondern eine politische Herausforderung – mit direkter Auswirkung auf Wahlverhalten, Meinungsbildung und Partizipation.
5. Handlungsempfehlung: Targeting‑Bias erkennen & ausgleichen
Um algorithmische Verzerrungen zu identifizieren und auszugleichen, braucht es eine gezielte Analyse und strategische Anpassung der Kampagnenführung. Erstens sollte die Meta Ad Library regelmäßig genutzt werden, um Unterschiede zwischen Zielgruppeneinstellung und tatsächlicher Reichweite zu erkennen. Zweitens helfen A/B-Tests mit breitem und eng gefasstem Targeting, um zu verstehen, wie stark der Algorithmus eingreift. Drittens sollten Kampagnen bewusst auf Vielfalt in Creatives und Botschaften setzen – nicht alle Nutzer:innen reagieren gleich auf dieselbe Anzeige. Viertens können externe Auditoren oder Transparenz-Tools wie „Who Targets Me“ oder universitäre Studien als Kontrollinstanz fungieren. Ziel ist es, ein realistisches Bild über die tatsächliche Reichweitenstruktur zu bekommen und systematische Schieflagen frühzeitig zu korrigieren.
Strategie | Beschreibung |
---|---|
A) Monitoring der Ad Library | Regelmäßige Analyse der eigenen Ads auf DSA-Plattformen auf Alter, Geschlecht, Orte |
B) A/B-Testing ohne Demografie-Targeting | Breitere Streuung testen und Ergebnisse vergleichen |
C) Diverse Creatives & Messages | Ansprache mehrerer Zielgruppen gleichzeitig, um einseitige Ausspielung zu vermeiden |
D) Algorithmus-Check | Beobachten, wie Meta-Tools wie „Zielgruppenoptimierung“ tatsächlich performen |
E) Zusammenarbeit mit Auditoren | Unabhängige Prüfungen, z. B. durch NGO-Tools oder Universitäts-Analysen |
6. Regulierung & Transparenz
Mit dem Inkrafttreten des Digital Services Act (DSA) im Jahr 2024 wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der politische Werbung auf Plattformen wie Meta stärker reguliert. Der DSA verpflichtet Anbieter, alle politischen Anzeigen öffentlich zu dokumentieren – inklusive Budget, Zeitraum, Zielgruppeneinstellungen und algorithmischer Ausspielkriterien. Diese Transparenz erlaubt erstmals eine externe Überprüfung algorithmischer Prozesse. Doch Regulierung allein reicht nicht: Plattformen müssen auch bereit sein, ihre Optimierungslogiken offen zu legen und aktiv an Fairness im digitalen Wahlkampf mitzuwirken.
Die aktuelle Umsetzung zeigt: Zwar wächst das Bewusstsein für algorithmische Verzerrungen, doch viele Mechanismen bleiben weiterhin Blackbox. Deshalb braucht es nicht nur rechtlichen Druck, sondern auch zivilgesellschaftliches Engagement und wissenschaftliche Begleitforschung, um die Demokratisierung des digitalen Wahlkampfs voranzutreiben.
Fazit
Der Meta‑Algorithmus ist kein neutraler Aushängetext, sondern ein aktiver Filter mit signifikanten Verzerrungen. Populistische Inhalte erzielen viel größere Reichweite pro Euro, während demokratische Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigt werden. Nur mit aktivem Monitoring, vielfältigem Targeting und gesetzlichen Transparenzpflichten lassen sich faire Kampagnen sicherstellen.
Wichtigste Erkenntnisse
Algorithmische Verzerrung: populistische Ads erzielen bis zu 6× mehr Reichweite
Diskrepanz Ziel vs. Realität: Meta‑Targeting erreicht nicht zwingend die geplante Zielgruppe
Engagement‑Optimierung: Algorithmus präferiert polarisierende Inhalte
Regulatorische Lücken: DSA & Ad Library erhöhen Transparenz, aber restliche Mechanismen bleiben eher Blackbox
Empfehlung: Monitoring, A/B Tests, Diversifizierung, externe Audits – zur Wahrung demokratischer Fairness
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